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  • AutorenbildHendrik Fluegge

Nachhaltigkeit? „Der DFB ist nicht so modern aufgestellt, wie man das im Jahr 2021 sein sollte.“



Zu Gast: Gerd Thomas, 1. Vorsitzender des Amateurklubs FC Internationale Berlin



Hinweis: Dieses Transkript ist – im Vergleich zum Podcast – an der ein oder anderen Stelle auf Lesefreundlichkeit hin sprachlich optimiert worden; ohne die inhaltlichen Aussagen zu verändern.



Hallo lieber Gerd, vielen Dank, dass wir heute hier sein dürfen, weil der FC Internationale natürlich ein ganz besonderer Verein ist: 1980 gegründet und der erste Amateurklub tatsächlich, der das Nachhaltigkeitszertifikat des TÜV Rheinland erhalten hat und damit, glaube ich, der zweite Klub überhaupt in Deutschland, richtig, der andere ist ein Bundesligist …


Der 1. FC Köln, genau.


Man würde jetzt ja denken, dass es so einem Profiklub viel leichter fällt, nachhaltige Prozesse zu initialisieren – weil mehr Geld da ist und da mehr Leute arbeiten usw. Kannst du das teilen, denn es gibt natürlich viele Amateurvereine, die sagen: „Jetzt komm mir nicht mit Nachhaltigkeit, das ist so aufwendig. Da müssen wir so viel machen, das kriegen wir gar nicht hin.“


Also natürlich ist nicht jeder Amateurverein gleich, und wir haben hier bei uns eine Struktur, dass wir sowohl Haupt- als auch Ehrenamt haben – bei der Größe des Vereins geht das auch nicht anders, wir haben 50 Mannschaften im Spielbetrieb. Und wir haben auch das Glück, hier bei uns im Verein, dass wir Menschen haben, die sehr affin sind zum Thema Nachhaltigkeit. Einer arbeitet zum Beispiel wirklich als Zertifizierer …


Das ist der Oliver Brendle glaube ich,


Das ist der Oliver Brendle, unser Nachhaltigkeitsbeauftragter, der uns natürlich nicht zertifiziert hat, um dass mal gleich klarzustellen. Aber trotzdem kennt er sich aus und hat ein paar Kontakte zum Beispiel zur Uni Witten-Herdecke, zum dortigen ZNU (Zentrum für nachhaltige Unternehmensentwicklung, d. A.), wo wir ein Pilotprojekt auch machen konnten durch die Kontakte. Aber was vor allen Dingen wichtig war, ist die Bereitschaft und das Engagement der Leute hier, zu sagen, wir wollen was machen in diesem Bereich. Und dann kannst du als Vorstand hingehen und sagen: „Ach, naja, was soll denn das, ist doch alles nur Arbeit!“ Wir haben uns für den anderen Weg entschieden im Vorstand und haben sofort gesagt: „Klar, wenn uns das nicht wahnsinnig zusätzlich belastet und ihr wirklich dafür sorgt, dass das umgesetzt wird, dann unterstützen wir euch!“ Und dann kam Oliver tatsächlich mit der Idee und sagte: „Dann lasst euch doch gleich zertifizieren!“


Es gibt ja vielleicht auch so Leute, die sagen werden: „Naja, okay, jetzt sind die zertifiziert – ja, und? Wir haben doch auch ein nachhaltiges Catering!“ Was also ist aus deiner Sicht der Vorteil der Zertifizierung, außer dass man sie auf eine Website stellen oder ans Sportplatztor heften kann?


Also erstmal würde ich nie behaupten, dass wir der nachhaltigste Fußballverein in Deutschland sind. Wir sind nur der einzige mit einem Nachhaltigkeitszertifikat; ich kenne nicht alle 25.000 Vereine. Aber natürlich hat das in erster Linie was mit Image zu tun.


Ihr seid natürlich auch als Fußballamateurklub Mitglied in einem Verband, in dem Fall dem Berliner Fußball-Verband. Wie schwierig ist das da, sich mit solchen Gedanken Gehör zu verschaffen, Raum zu verschaffen? Wird da verbandsseitig eher geblockt – oder hast du den Eindruck, auch da gerät was in Bewegung; also wie es das ja in der gesamten Gesellschaft tut, dass die Leute stärker über Nachhaltigkeit nachdenken, nachhaltige Produkte, ähnliches …


Also wir sind in erster Linie natürlich ein Fußballverein, das muss man auch immer wieder herausstellen. Wir sind hier kein Sozialverein oder, was weiß ich, ein Antidiskriminierungsverein oder Integrationsverein, und was wir alles sein sollen. Alles das machen wir sozusagen oben drauf, unser Kerngeschäft aber ist Fußball, und das ist auch der Vereinszweck. Die Verbindung zwischen Berliner Fußball-Verband und FC Internationale ist noch nie so ganz einfach gewesen. Das ging ja bei der Gründungsgeschichte los, als der damalige Westberliner Verband den Namen verbieten wollte, weil er – Zitat – einen kommunistischen Beigeschmack hatte; es ging um das „e“ hinten in „Internationale“. Also ich stelle fest, dass der Verband sich um unsere Nachhaltigkeitsinitiative überhaupt nicht gekümmert hat, ich will auch dazu sagen, also ich oder wir, der Verein, der ganze FC Internationale, ist nicht in Feindschaft mit dem Berliner Fußball-Verband. Ich bin noch Mitglied im Beirat, also was so eine Art Hand Aufsichtsrat ist. Aber ich stelle natürlich fest – sowohl in Berlin als auch auf Frankfurter Ebene, also auf Bundesebene –, dass Fußballfunktionäre, die im vermeintlichen Ehrenamt sind – ich meine, das Ehrenamt hätte ich auch gerne, zumindest monetär –, dass die sehr sehr empfindlich sind, sehr sehr dünnhäutig sind. Und man sieht das ja auch, ich meine, es werden Leute wirklich vor die Ethik-Kommission gezerrt, die überhaupt nichts Dramatisches gemacht haben. Ich habe zu vielen eigentlich ein ganz gutes Verhältnis, wenn wir so unter vier Augen reden ist das alles in Ordnung. Aber ich würde mir wünschen, dass eben einfach von der sogenannten Ehrenamtsebene deutlich mehr Impulse kommen. Das Hauptamt ist sowohl beim Berliner Fußball-Verband besser als das Ehrenamt, als auch beim DFB – wenn ich das richtig beobachte.


Aber es fehlt sozusagen an der großen Verlautbarung, an den Leuten, die nach vorne gehen, vor Kameras treten, sich vor Mikrofone setzen und sagen, dass sie das Thema Nachhaltigkeit in der Priorität jetzt einmal sehr weit oben hinsetzen.


Das ist ja mit vielen Dingen so, wenn es um die gesellschaftliche Verantwortung geht. Und natürlich ist auch der DFB erstmal dafür da, seine Landesverbände zu instruieren, dass sie den Spielbetrieb vernünftig hinkriegen; der DFB organisiert ja nun nicht den Spielbetrieb, auch wenn einige das immer behaupten. Das geht aber ja damit schon los, dass der DFB wahlweise 7.000.000 Mitglieder oder 25 Mitglieder – gerade, wie es passt …


Du meinst jetzt die Anzahl von Menschen oder die Anzahl der Landesverbände …


Genau. Wenn es ernst wird, dann verweist speziell der von mir sehr geschätzte Rainer Koch immer darauf, dass der DFB ja nur 25 oder 27 Mitglieder hat (richtig sind – was ich im Gespräch auch nicht parat hatte – 26, d. A.). Weil ich ja die Forderung nach der Urwahl mehrfach schon gestellt habe – und das scheuen sie ja wie der Teufel das Weihwasser. Und ich finde, auch das ist ja nachhaltig, also Partizipationsprozesse einzuleiten, ist ja auch etwas Nachhaltiges.


Ich würde gern noch mal auf ein anderes Thema zu sprechen kommen: die Sportplätze. Nach den Zahlen, die ich recherchiert habe, spielen nur 35% der Vereine in Deutschland auf vereinseigenen Sportstätten Fußball. Ihr seid, wie die Mehrheit, auch auf städtische Anlagen angewiesen. Der Kunstrasenplatz ist ja auch immer ein Thema: Wie kann man da einwirken, dass das nachhaltigere Plätze werden. Zitat Gerd Thomas: „Die günstigen Kunstrasenplätze aus Vollplastik sind in der Praxis überhaupt nicht preiswert!“ Kannst du das noch mal erläutern, was du damit damals gemeint hast, im Interview mit fussball.de?


Ja, also die diese „Vollgummi“, also diese vollverfüllten Kunstrasenplätze, wie sie, glaube ich, genannt werden, die müssen permanent bewässert werden. Weil die sind eigentlich auch mal für Hockey gebaut worden und nicht für Fußball, und die müssen permanent bewässert werden. Wenn die Wasserpumpe kaputt ist, so wie das hier bei uns seit einem Jahr ungefähr der Fall ist, führt das zu massiven Verletzungen. Wir haben Schultereckgelenksprengungen, wir haben Kreuzbandrisse, wir haben andere Bänderrisse …


Weil der Rasen so stumpf ist?


Weil der Rasen so stumpf ist, und das heißt: Volkswirtschaftlich ist das natürlich dann kompletter Unsinn, weil das sind ja richtig teure Sachen. Die Leute fallen ja nicht nur bei ihrem Arbeitgeber aus, sondern auch die Operationen sind teuer. Nun haben wir auch nicht jede Woche drei Kreuzbandrisse, so weit will ich nicht gehen. Aber die Situation wenn wir bewässern müssen oder können, ist ja auch nicht so dolle, weil hier in Berlin und Brandenburg sackt der Grundwasserspiegel erheblich ab, und wir hauen hier permanent irgendwie das Wasser auf die Kunstrasenplätze, von Filtersystemen mal abgesehen. Diese ganze Kunstrasen-Geschichte ist eine Wissenschaft für sich, und wir sind darauf gestoßen, weil wir hier mit dem Bezirk in Gespräche gegangen sind und gesagt haben, wir möchten einen anderen Kunstrasen haben. Wir möchten einen mit Korkverfüllung haben. Wir haben uns nämlich mit Umweltverbänden zusammen gesetzt und waren selbst sehr überrascht, dass die zu Kork rieten, weil wir dachten, die Korkeiche wäre völlig bedroht. Scheint aber gar nicht so zu sein, weil Flaschen werden nicht mehr mit Kork verschlossen und so weiter und sofort. Jedenfalls haben wir uns dann sehr, sehr intensiv mit diesem ganzen Thema Kunstrasen beschäftigt – und siehe da, der Bezirk bestellte auch einen neuen Kunstrasen. Und er bestellte wieder das, was früher immer verbaut worden war, und dann sind wir natürlich auf die Barrikaden gegangen …


Und dann habt ihr denen gesagt, ihr hättet gerne …


Wir hatten uns geeinigt, dass wir einen mit Kork bekommen.


Okay.


Und wir bekommen jetzt auch einen mit Kork. Wir sind dann natürlich da reingegrätscht, um mal in der Fußballsprache zu bleiben, und der Stadtrat hat sich öffentlich bei mir innerhalb des Sportausschusses entschuldigt. Und da habe ich gesagt, ich nehme die Entschuldigung an, das nützt mir nur nichts, denn ich habe in drei Tagen Generalversammlung. Was soll ich den Leuten jetzt sagen? Die Folge war: Tatsächlich wurde der alte Kunstrasen nicht verbaut. Aber es musste eine neue Ausschreibung gemacht werden, und jetzt kriegen wir tatsächlich dann nächstes Jahr endlich, mit Verzögerung von zwei Jahren – hoffentlich – einen Kunstrasenplatz mit Korkfüllung. Und so sind wir also auf sehr viele Dinge gekommen, und inzwischen ist es so, dass sich diese Kunstrasenwelt auch weiter dreht, nämlich in Richtung Recycling. Und wir haben dafür gesorgt, dass wir zusammen mit der Firma FieldTurf, also ein Kunstrasenhersteller, hier den ersten voll recycelten Kunstrasenplatz in Berlin verbaut haben.


Kleine Zwischenfrage: Kunstrasen hat, wenn ich das richtig weiß, eine Halbwertszeit zwischen 10 und maximal 15 Jahren. Dann ist er in der Regel durch. Also wenn die jetzt gut genutzt werden, was natürlich bei euch hier der Fall ist, mit den vielen Jugendteams und Training rund um die Uhr, Spielen … Was passiert normalerweise mit diesen abgenutzten Kunstrasenplätzen?


Die werden verbrannt. Die werden abgerissen und werden verbrannt. Und es gibt eben einen Hersteller, der sich bei uns gemeldet hat – ich weiß gar nicht mehr genau, wie wir zusammen gekommen sind –, auf jeden Fall hat der uns dann erzählt, dass er an einem Modell arbeitet, wo man Kunstrasenplätze wirklich zu hundert Prozent recyceln kann. Also nicht abreißt und verbrennt, sondern recycelt. Und so einen Platz haben wir tatsächlich hier verlegen lassen mit seiner Hilfe, und zwar in einem Soccercourt in einer Unterkunft für Geflüchtete. Das mag ein bisschen lustig klingen, so ein kleiner Soccercourt, ist aber zumindest ein Anfang. Und wir konnten überall erzählen: Guckt euch das dort an, geht dorthin, ruft bei der Heimleitung an, wann ihren Termin haben könnt. Ihr könnt euch das angucken. Man kann auf diesem Kunstrasenplatz wunderbar spielen.


Die Fläche ist dann sowas wie 10 x 20, oder?


Ja, 10 x 15, glaube ich sogar, aber ich weiß es gar nicht ganz genau, so ungefähr aber.


Das habt ihr in Eigeninitiative gemacht?


Ja, das haben wir in Eigeninitiative gemacht, zusammen mit der RheinFlanke (Unternehmen, das sport- und bildungsbasierte Angebote für Jugendliche schafft, d. A.), zusammen mit dieser Unterkunft, mit FieldTurf. Und tatsächlich ist der Soccercourt vom Berliner Fußball-Verband gekommen, die hatten aber mit dem Kunstrasen nichts zu tun, die sind mit einem anderen Hersteller verbandelt … Aber der wurde uns halt gesponsert, dieser Kunstrasen, und ist eine Topsache, weil die Kinder und Jugendlichen dort jetzt endlich auf einem vernünftigen Platz Fußball spielen können und nicht auf dem Beton spielen müssen. Und wir können im Grunde genommen jetzt auch wirklich jeden zuständigen Stadtrat oder jedes zuständige Sportamt der Stadt dorthin schicken und sagen, guckt euch das an, oder auch Vereine. Nun wollen die dort auch nicht jeden Tag Tourismus haben, ist auch klar, aber so ist es ja auch nicht. Wichtig ist ja einfach wirklich zu sagen, Kunstrasen ist – insgesamt sicherlich genauso wie das ganze Thema Sportkleidung, wie Bälle und so weiter und sofort … Ein wichtiger Punkt bei der Nachhaltigkeit ist ja auch tatsächlich: Wie kommen die Leute zu den Vereinen? Das ist mit dem Bahnhof Südkreuz vor der Haustür ein bisschen einfacher im öffentlichen Nahverkehr, als wenn ich beim TSV Apensen, wo ich groß geworden bin, im Norden Niedersachsen auf dem Land bin.


Dann musst du Auto fahren.


Dann fährst du Auto …


Wenn du nicht direkt neben dem Platz wohnst …


Genau. Aber natürlich ist dieser Kunstrasen ein schönes Beispiel dafür, dass man einfach auch in Diskussionsprozesse kommen kann. Und ich wünsche mir natürlich genauso, dass wir die Diskussionsprozesse mit den Verbänden bekommen und mit den Bezirken – zu sagen: Hey, das Thema Nachhaltigkeit, Recycling ist ein großes Thema, und es geht. Und, machen wir uns nichts vor, das ist wie bei den Autos: Nur wenn die Nachfrage groß genug ist, wird auch richtig was passieren in diesem Bereich an Fortschritt.


Vielleicht interessiert es ja Zuhörer, die sagen, das ist ein interessantes Projekt. Kannst du mal sagen oder etwa eine Idee geben, wie viel an Mehrkosten dieser Platz – oder vielleicht auch der mit Kork befüllte – im Vergleich zu einem konventionellen Kunstrasenplatz auslöst? Kannst du da eine Zahl nennen oder einen Prozentsatz?


Ich bin kein Kunstrasenexperte, aber wir haben uns, wie gesagt, relativ viel damit beschäftigt. Und mir haben mehrere Kunstrasenhersteller versichert, dass Plätze, wie zum Beispiel mit gekräuseltem Kunstrasen oder mit dem Kork-Infill, nicht teurer sind als diese Vollplastik-Kunstrasenplätze. Weil die Volkplastik-Kunstrasenplätze vielmehr Material brauchen. Wie gesagt, ich kann jetzt die Preise nicht genau nebeneinander legen, das geht nämlich weiter damit, wie der Untergrund beschaffen ist – das ist eine Wissenschaft für sich, beim medizinischen Gerät ist es ähnlich kompliziert. Man muss die Ausschreibung halt so machen, dass man einfach sagt, wir wollen tatsächlich auf recycelte Böden setzen. Ich bin, wie gesagt, nicht der richtige Experte, aber finanziell gibt es dort, glaube ich, jetzt nicht die großen Ausreißer nach oben. Diesen Kunstrasenplatz, den wir jetzt bekommen sollen – ganz ist er das nicht, weil jetzt doch ein anderer Hersteller zum Zug gekommen ist auf wundersame Weise –, aber dieser Kunstrasen, der liegt auf einem Senatsplatz in Mitte, bei Empor, im Prenzlauer Berg, am Jahn-Sportpark. Und dort haben wir den gesehen, und wir haben – das ist so ein Verein, da gibt es viele Ähnlichkeiten zu uns – gefragt, wie ist das? Und die sagen, der hat hervorragende Spieleigenschaften, und wir haben ja auch selbst dort gespielt, unsere Männer haben da gespielt. Also da ist alles in Ordnung, und einmal im Jahr muss da vielleicht ein bisschen Kork nachgefüllt werden. Das müsste aber bei Autoreifen-Abfall auch der Fall sein. Das ist immer noch besser, als zu sagen, wir spielen jetzt … Es gibt ja auch welche mit Sandfüllung. Das ist so bei Grätschen für die Oberschenkel aucht nicht immer das Allerschönste. Man muss dazu sagen, dass Kunstrasenplätze, genau wie richtige Naturrasenplätze, eben auch gepflegt werden müssen.


Und das vergisst man immer, man denkt, das läuft von ganz alleine.


Genau, weil da liegt ja so was. Und das ist eben auch wieder Aufgabe der Grünflächenämter hier im Bezirk – also eigentlich müsste das Sportamt das Grünflächenamt anweisen –, aber die schieben dass dann vom einen auf den anderen. Und natürlich sind Sportanlagen insgesamt auch pflegeintensiv. Wir zum Beispiel achten darauf, dass unsere Sportanlage regelmäßig geputzt wird, das heißt jeden Tag. Deswegen riecht die auch nicht, sondern riecht so, als wenn man in einem normalen Raum reinkommt.


Aber das macht ihr alles dann auch tatsächlich selbst?


Ja. Wir haben einen sogenannten Schlüsselvertrag. Dafür kriegen wir ungefähr 10.000 Euro im Jahr. Wenn man jeden Tag putzt und dass alles ordentlich macht, reichen 10.000 Euro nicht hinten und nicht vorne. Deswegen müssen wir eben auch sehen, wie wir das finanzieren, aber wir kriegen das hin. Wir haben hier unseren Verein so aufgestellt, wir sind jetzt auch, was die Beiträge angeht, nicht der günstigste Verein in Berlin, auch nicht der teuerste. Aber wir gehören sicherlich zum oberen Drittel, und das müssen die Mitglieder auch immer wieder wissen, dass dieses Engagement für die Sportanlagen einfach auch wichtig ist und dass man das auch nicht einfach gratis haben kann. Aber dass sie auch davon profitieren, wenn die Sportanlagen gut aussehen.


Hat sich das im Zuge der Corona Pandemie nochmal verstärkt? Das hat man ja häufig gehört dass es Mitgliederschwund gab, weil die Leute gesagt haben: Was soll ich jetzt hier Beiträge bezahlen, wenn ich meinen Sport nicht ausüben kann! Habt ihr das auch gemerkt?


Also beim FC Internationale haben wir da keine Probleme gehabt, wir haben ganz, ganz wenige Austritte. Und wir haben inzwischen mehr Mitglieder denn je.


Das sind 1.200 Mitglieder?


Wir haben jetzt 1.250 ungefähr. Aber der Mitgliederrückgang ist das, was vom DFB und DOSB auch gerne nochmal angeführt wird. Das ist ja auch ein ganz wichtiger Punkt. Aber worüber eigentlich wenig gesprochen wird, ist einfach die zusätzliche Belastung. Also: Corona hat die Jugendlichen und die Kinder ja nicht ausgeglichener hierher wieder zurück gebracht. Und die Belastungen, gerade für die Jugendtrainerinnen und -trainer, sind so immens. Ich kenne so viele Vereine, die sagen, ich finde niemanden mehr, der die Jugendleitung machen will. Nicht mal zu zweit oder zu dritt, das wollen sie sich nicht mehr antun, mit den Eltern. Die Kinder sind nicht ausgeglichen, sind alle völlig zappelig. Ich kenne zwar keine genauen Statistiken, aber ich weiß, bei uns im Bezirk macht man sich auch gerade erhebliche Gedanken, wie schaffen wir es, die jungen Leute wieder in Bewegung zu bekommen. Aber das können die Sportvereine, und vor allen Dingen auch die Fußballvereine, nicht mal eben nebenbei ehrenamtlich machen. Also wir sind eh so ein bisschen auf der letzten Rille, jedenfalls sehr viele sind auf der letzten Rille, und jetzt kommt noch das bisschen Corona dazu, und dann kriegt ihr auch nochmal 1.000 Euro für irgendein Programm – mit 1.000 Euro kann man nichts machen! Sondern es braucht wirklich ganz, ganz andere Modelle. Und ich würde mir natürlich vom DFB als unserem obersten Lobbyisten wünschen, dass der einfach auch viel deutlicher und viel lauter ist. Gut, immerhin hat man jetzt gefordert, dass es, glaube ich, einen Staatssekretär für Sport geben muss oder irgendwie sowas oder einen Staatsminister sogar für Sport. Aber machen wir uns nichts vor: Der DFB ist seit zwei, drei Jahren mit sich selbst beschäftigt – aber nicht damit, wie es den Amateurvereinen geht. Das würde Rainer Koch jetzt vehement verneinen und würde mir zehn Beispiele nennen in seiner ganzen Eloquenz, warum das nicht so ist. Der Eindruck bei den Vereinen ist aber so, dass der DFB – und leider auch die meisten Landesverbände – sich nicht genügend kümmern.


Also ihr fühlt euch eigentlich in der Frage dann allein gelassen.


Also wir hatten hier in Berlin eine Situation zu Coronazeiten mit einer Gesundheitssenatorin, die morgen „Hü“, übermorgen „Hott“ und am nächsten Tag wieder „Hü“ gesagt hat. Und dann kam auch der Staatssekretär und hat mit uns gesprochen und gut Wetter gemacht. Aber am Ende waren die Vereine völlig durcheinander mit der Folge, dass viele sich gegenseitig angerufen und gefragt haben: „Wie sind bei euch die Corona-Bestimmungen?“ – „Och, ja, wir machen das so und so …“ Und andere haben gesagt: „Keine Ahnung. Bisschen Hände waschen, und es ist gut.“ Wenn ich mit den Schulen rede, ist es teilweise nicht viel besser. Und die ganze Kommunikationspolitik ist ja sowas … Wir sind ja als Vorstände auch in der Verantwortung, wir sind ja sogar in der Haftung und wir hatten schon den Eindruck, dass wir mit vielen Dingen völlig alleine gelassen werden und nur dann reagiert wird, wenn auch wirklich richtig Druck kommt. Dann wurde so eine Task-Force eingerichtet hier in Berlin, so eine Corona-Task-Force. Die tagte aber immer zu ganz komischen Zeiten, wo es eigentlich schon wieder alles irgendwie sich erledigt hatte. Also ich hab mich da jetzt auch zurückgezogen aus der ganzen Geschichte, wie gesagt, wir gucken so ein bisschen auf uns selbst. Aber ich glaube, es braucht einfach eine Vertretung der Amateure von der Praxis, von der Basis, die wirklich im DFB auch Gehör findet. Und am besten wirklich mit im Präsidium sitzt, und das sind nicht Rainer Koch, Ronny Zimmermann oder Günter Distelrath und wie sie alle heißen. Ich will gar nicht sagen, dass die alles falsch machen, darum geht es mir nicht. Aber das sind keine Männer, die heute noch wissen, wie es in den Vereinen aussieht.


Also kann man sagen, dass die nicht nachhaltig arbeiten beim DFB?


Ich finde, der DFB – genauso wie auch andere Sportververbände – ist nicht so modern aufgestellt, wie man das Jahr 2021 sein sollte. Es sind nach wie vor vor allen Dingen Machtkämpfe. Ich will gar nicht dieses Klischee der alten weißen Männer bemühen, es gibt auch alte weiße Frauen – das ist alles gar nicht so der Punkt. Aber natürlich ist das Thema Vielfalt auch ein Thema, da müssen wir uns ja nichts vormachen …


Und viele Frauen sind ja in der DFB-Spitze jetzt nicht gerade vertreten …


Richtig, und Migranten sind da, glaube ich, gar nicht vertreten. Und natürlich könnte der DFB auch auf Sportartikelhersteller oder auf Luftfahrtunternehmen, mit denen sie durch die Gegend fliegen, einwirken und sagen: Wir sind der DFB mit sieben Millionen Mitgliedern, und zum Thema Nachhaltigkeit haben wir hier ein bisschen was zu sagen. Und da könnten sie ja durchaus den FC Internationale auch mit am Tisch nehmen, vielleicht auch noch ein paar andere Experten, und sagen: Guck mal hier, die zeigen doch, dass es zumindest in Teilen geht. Wir sind ja längst nicht da, wo wir irgendwann mal hin wollen. Und wir sind auch keine Heiligen. Ich mein immerhin wird jetzt beim DFB auch nicht mehr von „Ausländern“ geredet, also es gibt gewisse Prozesse, die haben auch dort eingesetzt in den Verbänden … Aber ich glaube tatsächlich, der DFB und auch die Landesverbände müssen sich mehr öffnen, und die müssen moderner werden, sonst werden ihnen die Mitglieder weglaufen. Also der Fußball ist nicht mehr alleine auf der Welt. Der Fußball hat gerade in Coronazeiten, also der Profifußball, sich jede Menge Sonderrechte rausgenommen und die auch erhalten …


Und möglicherweise auch eine Menge an Kredit verspielt …


Natürlich werden diese Dinge aufgenommen und viele Amateurvertreter und auch Spielerinnen und Spieler haben den Eindruck, die bewegen sich in einer Parallelwelt. Und das ist ja auch so, und ich bin auch nicht dafür, den Graben zwischen Profis und Amateuren noch tiefer zu ziehen, sondern ich bin dafür, Leute an den Tisch zu holen, die in der Lage sind, konstruktiv miteinander zu reden – die Profis brauchen die Amateure! Ohne die Amateure können die Profis ihren Laden zumachen! Aber natürlich brauchen die Amateure auch die Profis, weil natürlich sind die ganzen jungen Spieler erpicht darauf, irgendwann einmal Nationalspieler zu werden. Oder bei Bayern München oder wenigstens bei St. Pauli zu spielen …


Gibt ja auch gute …


… Erstligisten, genau. Ich glaube, diese Solidargemeinschaft, die müssen wir aufbauen, und das haben die jetzigen Funktionäre nicht geschafft. Und man merkt im Bereich Nachhaltigkeit, glaube ich, zum Beispiel, dass die Profivereine da auch flexibler sind, schneller sein können. Und auch das ist ein Bereich, wo ich einfach mal sagen würde: Setzt euch an einen Tisch und sagt, was sind die Themen der nächsten zehn Jahre. Und dann werden wir feststellen, es ist nicht „Lagerfeuer“ – ich weiß ja, was Fritz Keller damit gemeint hat –, aber natürlich sind die Themen: gemeinsam Dinge zu machen, Solidarität, Nachhaltigkeit und nicht nur, wie verdiene ich möglichst viel Geld.


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